Bundesverfassungsgericht

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Verfassungsbeschwerde gegen Dosenpfand ohne Erfolg

Pressemitteilung Nr. 114/2002 vom 20. Dezember 2002

Beschluss vom 20. Dezember 2002
1 BvR 2305/02

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerden (Vb) dreier Lebensmittelmärkte, die sich gegen das so genannte Dosenpfand zur Wehr setzen, nicht zur Entscheidung angenommen. Damit haben sich die ebenfalls gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.

1. Die Beschwerdeführerinnen (Bf), die in Einwegverpackungen abgefülltes Bier und Mineralwasser vertreiben, wollen verhindern, dass sie ab 1. Januar 2003 auf Bier und Mineralwasser Pfand erheben und gebrauchte Verpackungen zurücknehmen und verwerten müssen. Die Bf hatten gegen Ende des Jahres 2000 vor dem Verwaltungsgericht Berlin die Feststellung beantragt, dass sie ab 1. Januar 2003 nicht zur Pfanderhebung auf Grund der Verpackungsverordnung verpflichtet seien. Die Bundesregierung hatte am 2. Juli 2002 die Zahlen über die Mehrwegquote für Bier und Mineralwasser bekanntgegeben. Diese unterschritten den in der Verpackungsverordnung festgesetzten Grenzwert. Infolgedessen wird sechs Monate danach die Verpflichtung zur Erhebung des Dosenpfands wirksam. Nach dieser Bekanntgabe begehrten die Bf beim VG - in Abänderung ihrer bisherigen Anträge - die Aufhebung der Bekanntmachung. Über diese Klagen hat das VG bislang nicht entschieden. Mit ihren weiter auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Anträgen blieben die Bf vor dem Verwaltungsgericht und in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin ohne Erfolg. Hiergegen richten sich ihre Vb. Zugleich haben sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht beantragt.

2. In den Gründen der Entscheidung heißt es: Die Voraussetzungen für die Annahme der Vb liegen nicht vor. Die Vb haben keine grundsätzliche Bedeutung und sind ohne Aussicht auf Erfolg. Sie sind teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.

Die Bf sehen zunächst einen Verstoß der Verpackungsverordnung gegen Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG sowie gegen das Rechtsstaatsprinzip. Insoweit ist der Rechtsweg nicht erschöpft. Zwar haben die Bf Klage im Hauptsacheverfahren erhoben. Über diese wurde aber noch nicht entschieden. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde rechtfertigt sich nicht allein deshalb, weil diese Klagen schon seit zwei Jahren anhängig sind. Die Bf können zumutbarer Weise auch über den 1. Januar 2003 hinaus auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens verwiesen werden. Sie haben nämlich nicht schlüssig dargelegt, dass ihnen deshalb ein schwerer und unzumutbarer Nachteil, insbesondere die Aufgabe ihres Betriebs drohe.

Die ab 1. Januar 2003 geltenden Pfandpflichten beschränken die Berufsausübungsfreiheit der Bf. Deshalb stellt es auch einen Eingriff in dieses Grundrecht dar, wenn vorläufiger Rechtsschutz versagt wird. Dies heißt jedoch nicht, dass dieses Grundrecht verletzt wäre. Das Bundesverfassungsgericht kann allgemein die Entscheidungen der Fachgerichte nur darauf hin überprüfen, ob sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung über die Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen. Dies ist hier nicht der Fall. Das OVG hat den durch die Pfandpflichten ausgelösten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit in die Folgenabwägung einbezogen, die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes geboten ist. Es hat bei seinen Entscheidungen weder Reichweite noch Bedeutung des Grundrechts der Bf auf Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich verkannt.

Auch das Grundrecht der Bf auf Eigentum ist nicht verletzt. Die Bf haben nicht dargelegt, dass sie infolge der Pfanderhebungspflicht ihre Betriebe schließen müssen, was ohnehin fernliegend ist. Der Beschluss des OVG verletzt weiter nicht die grundrechtliche Garantie eines effektiven Rechtsschutzes. Dort ist in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Nachteile infolge der Versagung von einstweiligem Rechtsschutz seien nicht so schwer, dass sie das öffentliche Interesse an einer umgehenden Einführung der Pfandpflicht überwögen. Das OVG hat die Bf auch nicht deshalb ihrem gesetzlichen Richter entzogen, weil die Sache nicht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt wurde. Denn das OVG hat nachvollziehbar begründet, warum dies nicht in Betracht kommt.

Karlsruhe, den 20. Dezember 2002