Bundesverfassungsgericht

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Verfassungsrechtliche Grenzen einer Bestrafung von Strafverteidigern wegen Geldwäsche

Pressemitteilung Nr. 36/2004 vom 30. März 2004

Urteil vom 30. März 2004
2 BvR 1520/01

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit seinem heute verkündeten Urteil den Straftatbestand des § 261 Abs. 2 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) verfassungskonform einschränkend ausgelegt. Danach erfasst die Vorschrift die Annahme eines Honorars oder Honorarvorschusses durch einen Strafverteidiger nur dann, wenn er im Zeitpunkt der Annahme sichere Kenntnis von der Herkunft des Geldes aus einer Katalogtat hat. Die Verfassungsbeschwerden (Vb) zweier Strafverteidiger (Beschwerdeführer; Bf), die sich gegen Verurteilungen wegen Geldwäsche richteten, bleiben im Ergebnis ohne Erfolg und werden zurückgewiesen.

Wegen der Einzelheiten des den Vb zugrunde liegenden Sachverhalts der Ausgangsverfahren wird auf die Pressemitteilung Nr. 89/2003 vom 20. Oktober 2003 verwiesen.

In den Gründen der Entscheidung heißt es:

Die nur teilweise zulässigen Vb bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Zwar hat der BGH die Tragweite der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Strafverteidiger, die bei weiter Auslegung des Straftatbestands des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB auf die Honorarannahme durch Strafverteidiger berührt sein kann, nicht hinreichend bedacht. Darauf beruht die Verwerfung der Revision im Ergebnis jedoch nicht, weil das Landgericht der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit angemessen Rechnung getragen hat. Die Verurteilung der Bf durch das Landgericht wegen wissentlich begangener Geldwäsche ist deshalb im Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Es begegnet keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB dahin auszulegen, dass die Annahme eines Honorars oder eines Honorarvorschusses durch einen Strafverteidiger strafbare Geldwäsche sein kann, wenn das Honorar aus Mitteln bezahlt wird, die aus einer der in § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB aufgeführten Vortaten stammen. Die uneingeschränkte Anwendung der Strafvorschrift auf den Strafverteidiger wie auf jeden anderen Normadressaten kann allerdings zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht des Strafverteidigers auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) führen.

Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet dem Einzelnen die Freiheit der Berufsausübung als Grundlage seiner persönlichen und wirtschaftlichen Lebensführung. Das Grundrecht zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab und verbürgt außerdem das Recht, für die berufliche Leistung eine angemessene Vergütung zu fordern. Die durch den Grundsatz der freien Advokatur gekennzeichnete anwaltliche Berufsausübung unterliegt unter der Herrschaft des Grundgesetzes der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des einzelnen Rechtsanwalts. Der Schutz der anwaltlichen Berufsausübung vor staatlicher Kontrolle und Bevormundung liegt dabei nicht nur im individuellen Interesse des einzelnen Rechtsanwalts oder des einzelnen Rechtssuchenden, sondern im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege.

Der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG umfasst auch die Strafverteidigung, die zu den wesentlichen Berufsaufgaben eines Rechtsanwalts zählt. Die Institution der Strafverteidigung ist außerdem durch das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes gefordert. Unter der Geltung des Rechtsstaatsprinzips des Grundgesetzes muss der Strafprozess fair ausgestaltet sein. Der Beschuldigte hat einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch, sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Nur wenn der Beschuldigte auf die Verschwiegenheit seines Verteidigers zählen kann, ist die Vorbedingung für das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses geschaffen, ohne die Strafverteidigung nicht wirkungsvoll sein kann.

Das Risiko, sich durch die Entgegennahme eines Honorars oder Honorarvorschusses im Rahmen eines Wahlmandats wegen Geldwäsche strafbar zu machen, kann wegen der Handlungsbedingungen des strafrechtlichen Mandatsverhältnisses und der Weite des subjektiven Tatbestands das Recht des Strafverteidigers gefährden, seine berufliche Leistung in angemessenem Umfang wirtschaftlich zu verwerten. Die Wirkungen der Strafdrohung können außerdem geeignet sein, das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Strafverteidiger und Mandant, das eine unverzichtbare Grundlage für eine effektive Verteidigung ist, zu stören und Kollisionen zu erzeugen, die den Strafverteidiger daran hindern können, die Interessen seines Mandanten wirksam zu vertreten. Wird die Bestimmung des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB uneingeschränkt auf den Strafverteidiger wie auf die Angehörigen anderer Berufsgruppen angewendet, so ist fraglich, ob ein Mandant noch auf die Verschwiegenheit seines Verteidigers zählen kann. Im Interesse des Selbstschutzes wird der Mandant von einer offenen und freien Kommunikation mit seinem Verteidiger absehen. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsmaßnahmen gegen den Strafverteidiger wie etwa eine Kanzleidurchsuchung und Beschlagnahme der Handakten können das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant noch tiefergreifend stören.

Die Gefahr möglicher eigener Strafbarkeit kann für den Verteidiger zu einem Interessenkonflikt führen, der ihn daran hindern kann, die ihm von Verfassungs wegen anvertraute Aufgabe der Interessenwahrnehmung für den Beschuldigten zu erfüllen. Muss er bei einem Wahlmandat mit eigener Strafverfolgung wegen Geldwäsche rechnen, wird er neben den Interessen des Mandanten zum Schutz vor eigener Strafverfolgung auch seine eigenen Belange berücksichtigen müssen. Effektive Strafverteidigung ist unter diesen Bedingungen nicht mehr gewährleistet.

Vom Strafverteidiger kann nicht uneingeschränkt erwartet werden, dass er dieser durch den Strafgesetzgeber geschaffenen Gefahrenlage mit der Niederlegung des Wahlmandats und der Pflichtverteidigerbeiordnung begegnet. Pflichtverteidigung ist ein Sonderopfer des Strafverteidigers im öffentlichen Interesse. Die Niederlegung des Mandats und die Bestellung des gewählten Verteidigers zum Pflichtverteidiger gleichen den Verlust der Berufsausübungsfreiheit nicht aus, sondern verdeutlichen ihn.

Bei weiter Auslegung des Straftatbestandes des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB wäre der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Strafverteidigers unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Einführung und Erweiterung des Straftatbestands der Geldwäsche unter anderem das Ziel, die organisierte Kriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Bundesrepublik entsprach damit überdies internationalen Verpflichtungen zur wirksamen Bekämpfung der Geldwäsche. Die Strafandrohung des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB dient mit dieser Zielsetzung wichtigen Gemeinwohlbelangen und ist zur Erreichung des ihr gesetzten Zwecks im Grundsatz geeignet und erforderlich. Für den Adressatenkreis der Strafverteidiger würde die uneingeschränkte Anwendung dieser Strafbestimmung jedoch gegen das Übermaßverbot verstoßen.

Bei der gebotenen Güterabwägung fällt zunächst ins Gewicht, dass Täter der organisierten Kriminalität selten den Weg über Mandatierung und Honorierung eines Strafverteidigers wählen, um ihre Verbrechensgewinne zu waschen. Der Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege bietet eine erhöhte Gewähr für rechtstreues Verhalten. Demgegenüber wiegt der bei uneingeschränkter Anwendung der Strafnorm auf Strafverteidiger ermöglichte Eingriff in deren Berufsausübungsfreiheit schwer. Außerdem würde das auch im Interesse der Allgemeinheit bestehende Institut der Wahlverteidigung gefährdet. Damit überwiegen die Nachteile bei einer uneingeschränkten Einbeziehung der Strafverteidiger in den Kreis der Geldwäschetäter.

Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit fordert jedoch keine völlige Freistellung des Strafverteidigers von der Strafdrohung des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Weder das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit noch die Garantie der freien Wahl eines Strafverteidigers in einem fairen Strafverfahren rechtfertigen die Freistellung eines Strafverteidigers vom Verbot der Geldwäsche, wenn dieser sich bemakeltes Geld bewusst verschafft und damit seine privilegierte Verteidigerstellung zur Geldwäsche missbraucht.

§ 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB kann verfassungskonform einengend ausgelegt werden. Die Annahme eines Honorars oder Honorarvorschusses durch einen Strafverteidiger ist nur dann mit Strafe bedroht, wenn der Strafverteidiger im Zeitpunkt der Annahme sicher weiß, dass das Geld aus einer Katalogtat stammt. Zu Nachforschungen über die legalen oder illegalen Einnahmequellen des Mandanten ist der Strafverteidiger nicht verpflichtet. Darauf, ob das Wissen des Strafverteidigers auf einem Geständnis seines Mandanten oder auf anderen Quellen beruht, kommt es nicht an.

Damit steht zugleich fest, dass § 261 Abs. 5 StGB, der in subjektiver Hinsicht Leichtfertigkeit genügen lässt, auf die Honorarannahme durch Strafverteidiger keine Anwendung finden kann.

Den verbleibenden Gefahren für die Berufsausübungsfreiheit des Strafverteidigers und das Institut der Wahlverteidigung können und müssen die mit der Umsetzung der materiellen Norm betrauten Staatsanwaltschaften und Gerichte Rechnung tragen. Sie sind verpflichtet, auf die besondere Stellung des Strafverteidigers angemessen Rücksicht zu nehmen. So setzt der Anfangsverdacht der Geldwäsche durch einen Strafverteidiger auf Tatsachen beruhende, greifbare Anhaltspunkte für die Annahme voraus, dass der Strafverteidiger zum Zeitpunkt der Honorarannahme bösgläubig war. Darauf können etwa die außergewöhnliche Höhe des Honorars oder die Art und Weise der Erfüllung der Honorarforderung hinweisen. Auch die Fachgerichte müssen der besonderen Rolle der Strafverteidiger bei der ihnen anvertrauten Aufgabe der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung angemessen Rechnung tragen.

Karlsruhe, den 30. März 2004