Bundesverfassungsgericht

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Mündliche Verhandlung in Sachen "Jugendstrafvollzug"

Pressemitteilung Nr. 7/2006 vom 1. Februar 2006

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am

Mittwoch, 1. März 2006, 10:00 Uhr,
im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,
Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe

die Verfassungsbeschwerden des in einer Jugendstrafanstalt inhaftierten Beschwerdeführers, der sich gegen die allgemeine Kontrolle seiner Post sowie gegen eine gegen ihn verhängte Disziplinarmaßnahme wendet. Beide Verfassungsbeschwerden werfen die Frage auf, ob für eingreifende Maßnahmen im Jugendstrafvollzug eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Ermächtigungsgrundlage besteht.

Die Verhandlungsgliederung finden Sie im Anhang an diese Pressemitteilung.

Rechtlicher Hintergrund:

Gegenwärtig ist der Jugendstrafvollzug nur durch einige wenige im Jugendgerichtsgesetz und Strafvollzugsgesetz enthaltene Bestimmungen geregelt. Das Jugendgerichtsgesetz enthält drei Vorschriften zum Vollzug der Jugendstrafe: § 91 beschreibt Aufgaben und Grundlagen des Jugendstrafvollzugs, § 92 sieht vor, dass die Jugendstrafe grundsätzlich in Jugendstrafanstalten zu vollziehen ist, und § 115 ermächtigt die Bundesregierung, für den Vollzug der Jugendstrafe eine Rechtsverordnung zu erlassen, was bisher aber nicht geschehen ist. Im Strafvollzugsgesetz sind das Arbeitsentgelt für Gefangene in Jugendstrafanstalten sowie der unmittelbare Zwang im Jugendstrafvollzug geregelt. Weitere spezifische Regelungen für den Vollzug der Jugendstrafe enthält das Strafvollzugsgesetz nicht. Die Landesjustizverwaltungen haben 1976 bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug vereinbart. Die zeitgleich mit dem Strafvollzugsgesetz am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Vorschriften enthalten Regelungen für alle Bereiche des Jugendstrafvollzugs - auch zur Verhängung und zum Vollzug von Disziplinarmaßnahmen und zur Überwachung des Schriftwechsels - und kombinieren im Wesentlichen die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes mit den hierzu ergangenen bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften.

Sachverhalt der Verfassungsbeschwerden:

Der Beschwerdeführer verbüßt seit Mitte 2003 in der Justizvollzugsanstalt eine neunjährige Jugendstrafe. Verschiedene Pflichtverletzungen führten in der Vergangenheit zur Verhängung zahlreicher Disziplinarmaßnahmen gegen den Beschwerdeführer.

Verfahren 2 BvR 1673/04:

Im Dezember 2003 stellte der Beschwerdeführer bei der Justizvollzugsanstalt einen Antrag auf Aufhebung der allgemeinen Postkontrolle. Der Antrag wurde auf der Grundlage von Nr. 24 Abs. 3 der Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug (VVJug) abgelehnt. Nach dieser Vorschrift darf der Schriftwechsel - abgesehen von Schreiben an Verteidiger und bestimmte Institutionen - aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überwacht werden. Die Justizvollzugsanstalt führte zur Begründung ihrer Entscheidung aus, dass der Schriftverkehr in der Justizvollzugsanstalt allgemein für alle Inhaftierten überwacht werde, weil gerade in dem sensiblen Bereich des Jugendstrafvollzugs Kenntnisse aus dem sozialen Umfeld zur Erfüllung des Erziehungsauftrags notwendig seien. Bei dem Beschwerdeführer sei ferner vor dem Hintergrund seiner vielfältigen, in Disziplinarverfahren dokumentierten Auffälligkeiten eine Überwachung des Schriftwechsels in besonderem Maße geboten. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Oberlandesgericht. Zwar fehle es für die Postkontrolle an einem förmlichen Gesetz. Bis zur Schaffung einer unmittelbar anwendbaren gesetzlichen Grundlage stelle aber der in § 29 Strafvollzugsgesetz (Postkontrolle im Erwachsenenstrafvollzug) und Nr. 24 VVJug enthaltene Rechtsgedanke eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Postkontrolle dar.

Verfahren 2 BvR 2402/04:

Im Mai 2004 verhängte der Anstaltsleiter gegen den Beschwerdeführer wegen maßgeblicher Beteiligung an einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Mitgefangenen als Disziplinarmaßnahme nach Nr. 87 VVJug die Minderung des Einkaufs um 50% für einen Monat sowie den Ausschluss des Beschwerdeführers von der Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen und Fernsehsperre für 14 Tage. Der hiergegen gerichtete Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung, mit dem er wiederum das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für die Maßnahme geltend machte, wurde vom Oberlandesgericht verworfen.

Begründung der Verfassungsbeschwerden:

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Brief- und Postgeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG), seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie seiner Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG). Die gegen ihn verhängten Maßnahmen seien nicht gerechtfertigt, weil ein Gesetz als Ermächtigungsgrundlage fehle. Die §§ 91, 92 und 115 Jugendgerichtsgesetz seien lediglich Rahmenvorschriften und könnten die vielfältigen Eingriffe in die Grundrechte der Gefangenen nicht rechtfertigen. Das Strafvollzugsgesetz gelte nicht für den Jugendstrafvollzug. Auch die Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug stellten als bloße Verwaltungsanordnungen keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage dar.

Hinweis

Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wollen, wenden sich bitte schriftlich an

Herrn Oberamtsrat Kambeitz
Postfach 1771, 76006 Karlsruhe
Fax: 0721 9101-461

Bei der Anmeldung sind Name, Vorname, Geburtsdatum und eine Telefon- oder Faxnummer anzugeben.

Anlage zur Pressemitteilung Nr. 7/2006 vom 1. Februar 2006 - Verhandlungsgliederung zur mündlichen Verhandlung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts am 1. März 2006

Verfassungsmäßigkeit eingreifender Maßnahmen im Jugendstrafvollzug
Aktenzeichen: 2 BvR 1673/04 und 2 BvR 2402/04
I. Einleitende Stellungnahmen
II. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden
III. Tatsächliche und rechtliche Besonderheiten des Jugendstrafvollzugs
IV. Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für den Jugendstrafvollzug
1. Allgemeine Grundsätze
2. Gegenwärtige Rechtsgrundlagen des Jugendstrafvollzugs
3. Spezifischer Regelungsbedarf im Jugendstrafvollzug
V. Rechtsfolgen
VI. Abschließende Stellungnahmen

Akkreditierungshinweise für die mündliche Verhandlung am 1. März 2006 ("Jugendstrafvollzug")

Akkreditierung

Alle Medienvertreter haben sich schriftlich bis zum Freitag, 24. Februar 2006, 12:00 Uhr zu akkreditieren (Fax Nr. 0721 9101-461). Die Akkreditierungen werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt. Nach Ablauf der Frist eingegangene oder per E-Mail gesendete Akkreditierungen können nicht berücksichtigt werden.

Auch die Pool-Mitglieder für die Fernseh- und Fotoaufnahmen (siehe unten) sind innerhalb der genannten Frist schriftlich mitzuteilen. Die Anträge werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt.

Allgemeines

Für Medienvertreter stehen auf der Presseempore insgesamt 43 Sitzplätze zur Verfügung. Davon sind 11 Plätze für die Mitglieder der Justizpressekonferenz reserviert. Soweit Medienvertreter auf der Presseempore keinen Platz haben, müssen sie sich nach der Feststellung der Anwesenheit der Beteiligten in den 1. Stock begeben. Der weitere Aufenthalt vor dem Sitzungssaal ist nicht gestattet.

Im Presseraum stehen weitere 50 Sitzplätze zur Verfügung - davon sind 30 Plätze mit einem 230 V-Anschluss für Laptops ausgestattet. Außerdem steht ein Analog-Modem (mit TAE-Stecker) zur Verfügung. Es findet eine Tonübertragung aus dem Sitzungssaal statt.

Handys sind wegen der störenden Geräusche auszuschalten. Laptops dürfen im Sitzungssaal ebenfalls nicht benutzt werden.

Foto- und Fernsehaufnahmen

1. Foto-, Film- und Tonaufnahmen sind zulässig, bis der Vorsitzende des Senats die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten festgestellt hat. Danach haben Fotografen und Kamerateams die Ebene des Sitzungssaals (auch äußeren Flurraum und Pressetribüne) zu verlassen. Zum Aufenthalt steht der Presseempfangsraum (1. OG) zur Verfügung.

Für Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal werden zwei Fernsehteams (ein öffentlich-rechtlicher und ein privat-rechtlicher Sender mit jeweils maximal drei Kameras) sowie sechs Fotografen (vier Agenturfotografen und zwei freie Fotografen) zugelassen.

Die Bestimmung der "Pool-Mitglieder" bleibt den vorgenannten Fernsehsendern bzw. den Agenturen und Fotografen überlassen.

Die "Pool-Mitglieder" verpflichten sich, auf entsprechende Anforderung die Aufnahmen anderen Rundfunkanstalten und Fotografen- Konkurrenzunternehmen zur Verfügung zu stellen.

2. Bei Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal darf durch Fotografen, Kameraleute und sonstige Medienvertreter das freie Blickfeld des Senats nach allen Seiten nicht verstellt werden. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Sitzungsamtsmeister ist Folge zu leisten.

Standorte für die Fernsehkameras (je zwei) sind der Mittelgang und (von der Richterbank aus gesehen) die rechte Seite im Sitzungssaal sowie die Pressetribüne.

3. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung sowie in der Mittagspause sind Interviews, Fernseh- und Fotoaufnahmen mit Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen im Sitzungssaal lediglich für den Zeitraum von 20 Minuten zugelassen. Für weitere Aufnahmen stehen der Presseempfangsraum (1. OG) oder das Foyer (EG) zur Verfügung.

Fahrzeuge der Fernsehteams

Für SNG-, Schnitt- und Übertragungsfahrzeuge steht nur eine begrenzte Anzahl von Standplätzen zur Verfügung.

Falls ein Standplatz benötigt wird, ist dies bereits bei der Akkreditierung anzugeben. Die Standplätze werden nach Eingang des Antrags vergeben.

Für die Zuweisung der Standplätze werden folgende Angaben benötigt: Größe, Gewicht, Kennzeichen und evtl. Strombedarf.

Anfahrt und Aufbau sind am Vortag der mündlichen Verhandlung von 9:00 bis 18:00 sowie am Tag der mündlichen Verhandlung zwischen 7:00 und 9:00 Uhr möglich.

Falls Strom über das Bundesverfassungsgericht bezogen werden soll, ist dies bis spätestens 15:00 Uhr am Vortag der mündlichen Verhandlung mitzuteilen.

Aufbau von Studios

Der Aufbau von Studios ist in Absprache mit der Pressestelle ausschließlich im Presseempfangsraum (1. OG) sowie im Foyer (EG) möglich. Die Namen und Kfz-Kennzeichen der Teams sind bis spätestens 15:00 Uhr am Vortag der mündlichen Verhandlung mitzuteilen.

Diese Hinweise finden ihre Grundlage in § 17 a BVerfGG in Verbindung mit den ergänzenden Regelungen des Ersten und Zweiten Senats.