Bundesverfassungsgericht

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Heß-Kundgebung in Wunsiedel bleibt erneut verboten

Pressemitteilung Nr. 73/2006 vom 14. August 2006

Beschluss vom 14. August 2006
1 BvQ 25/06

Der Antragsteller meldete für den 19. August 2006 in Wunsiedel eine Versammlung unter dem Thema "Gedenken an Rudolf Heß" an. Das Landratsamt verbot die Versammlung wegen Verstoßes gegen § 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch und erklärte das Versammlungsverbot für sofort vollziehbar. Rechtsmittel des Antragstellers gegen den Sofortvollzug blieben vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg. Auch die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts lehnte den Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz ab.

Zum Hintergrund:

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Behörde eine Heß-Kundgebung des Antragstellers verboten. Anträge auf Gewährung von Eilrechtsschutz waren erfolglos geblieben (vgl. Pressemitteilung Nr. 74/2005 vom 17. August 2005). Zwischenzeitlich hat das Verwaltungsgericht Bayreuth im Hauptsacheverfahren über die Rechtmäßigkeit des damaligen Versammlungsverbots entschieden und die Klage des hiesigen Antragstellers abgewiesen. Über die vom Antragsteller beantragte Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist noch nicht entschieden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 16. August 2005 zu der im Jahr 2005 geplanten Demonstration dargelegt hat, werfen der Ausgangskonflikt und die dem versammlungsbehördlichen Verbot zu Grunde liegende Strafnorm des § 130 Abs. 4 StGB eine Reihe schwieriger verfassungsrechtlicher Fragen auf, die hinreichend nur in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden können. Daher ist über den Eilantrag im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt zu Lasten des Antragstellers aus:

Könnte die Versammlung wie geplant stattfinden und erwiese sich eine Verfassungsbeschwerde später als unbegründet, wäre die Versammlung unter Verstoß gegen § 130 Abs. 4 StGB durchgeführt worden. Mit Rücksicht auf diese Folge und insbesondere unter Verweis auf die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Einschätzung des Gesetzgebers zur Gewichtung des Schutzguts von § 130 Abs. 4 StGB hatte die Kammer bereits im vergangenen Jahr den Eilantrag abgelehnt. Dabei hatte die Kammer in ihre Abwägung eingestellt, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sich auf eine in jährlichen Abständen immer wieder am Todestag von Rudolf Heß geplante Veranstaltung bezieht und es dem Antragsteller - im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren - unbenommen bleibt, zukünftig wieder derartige Gedenkveranstaltungen durchzuführen.

Wird der Erlass einer einstweiligen Anordnung auch in diesem Jahr abgelehnt, ist der Antragsteller allerdings für zwei nacheinander folgende Jahre an der Durchführung der Versammlung gehindert. Der ihn treffende Nachteil gewinnt bei mehrmaliger Verweigerung einer einstweiligen Anordnung an Gewicht. Aber mit Rücksicht darauf, dass das Verwaltungsgericht Bayreuth schon eine Entscheidung in einem vergleichbaren Hauptsacheverfahren getroffen hat, kann davon ausgegangen werden, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof über das vom Antragsteller in jenem Verfahren eingelegte Rechtsmittel so frühzeitig entscheiden wird, dass eine endgültige Entscheidung vor der schon jetzt für den 18. August 2007 angemeldeten Versammlung ergeht und gegebenenfalls einer verfassungsgerichtlichen Prüfung zugeführt werden kann. In Anbetracht dieses Umstandes führt eine Folgenabwägung vorliegend zum Ergebnis, dass eine einstweilige Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile für den Antragsteller geboten ist.

§ 130 Abs. 4 StGB (Volksverhetzung) lautet wie folgt:

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.