Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Wiedereinführung der 5%-Sperrklausel für die Wahl zu den hamburgischen Bezirksversammlungen

Pressemitteilung Nr. 3/2008 vom 18. Januar 2008

Beschluss vom 14. Januar 2008
2 BvR 1975/07

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde von fünf Hamburger Bürgern gegen die Wiedereinführung der 5%-Sperrklausel für die Wahl zu den Bezirksversammlungen in der Freien und Hansestadt Hamburg nicht zur Entscheidung angenommen. Bei Wahlen zu den Bezirksversammlungen ist die Verletzung der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl nicht mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht angreifbar.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann im Anwendungsbereich der spezifischen wahlrechtlichen Gleichheitssätze der Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht nicht auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden. Bei Wahlen außerhalb der Anwendungsbereiche der speziellen Wahlrechtsgrundsätze kommen dagegen die Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes zum Tragen.

2. Obwohl Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG hier nicht einschlägig sind (die hamburgischen Bezirksversammlungen sind keine Volksvertretungen im Sinne des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG; Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gilt nur für die Bundestagswahl), ist auch bei der Überprüfung der Wahlvorschriften für die Wahl zu den hamburgischen Bezirksversammlungen ein Rückgriff auf den allgemeinen Gleichheitssatz vor dem Bundesverfassungsgericht nicht möglich.

a) Die Wahl zu den hamburgischen Bezirksversammlungen unterscheidet sich grundlegend von den Wahlen, bei denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG möglich ist. Im Unterschied zu Personal-, Richter- und Arbeitnehmervertretungen sowie der sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung und im Bereich der Hochschulen üben die Bezirksversammlungen unmittelbare Staatsgewalt aus. Es geht nicht lediglich um die Selbstverwaltung von eigenen Angelegenheiten, sondern um die unmittelbare Wahrnehmung staatlicher Aufgaben. Darüber hinaus handelt es sich um eine allgemeinpolitische Wahl, an die besondere Anforderungen zu stellen sind. Zudem geht es um die demokratische Legitimierung von Organen, die alle wahlberechtigten Bewohner eines Bezirks repräsentieren und nicht lediglich für einen eng begrenzten Personenkreis wirken.

b) Es entspricht auch der föderativen Ordnung der Bundesrepublik, dass die Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG die Verfassungsmäßigkeit der 5 %-Sperrklausel vor dem Bundesverfassungsgericht rügen können. Die Einrichtung von Bezirksversammlungen ist Ausdruck der staatsorganisatorischen Autonomie der Freien und Hansestadt Hamburg. Es ist dementsprechend Sache des hamburgischen Verfassungsgerichts und nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, diese Organisationsentscheidung der Freien und Hansestadt Hamburg nachzuprüfen.

3. Die Beschwerdeführer werden durch den Ausschluss des Rückgriffs auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht rechtsschutzlos gestellt. Vielmehr steht den Bürgern ein Rechtsweg zur Verfügung. Das Wahlprüfungsgesetz sieht die Prüfung der Wahl zu den Bezirksversammlungen durch die Bürgerschaft vor. Gegen die Entscheidung der Bürgerschaft kann von dem Wahlberechtigen eine Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts herbeigeführt werden.