Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung einer örtlichen Polizeieinheit

Pressemitteilung Nr. 4/2021 vom 15. Januar 2021

Beschluss vom 08. Dezember 2020
1 BvR 842/19

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung aufgrund des Zurschaustellens eines Pullovers mit dem Schriftzug „FCK BFE“ („Fuck Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit“) richtete.

Die fachgerichtliche Würdigung der Botschaft als eine strafbare Beleidigung im Sinne des § 185 StGB ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat mit Blick auf die gesamten Umstände des Falls nachvollziehbar begründet, dass sich die Äußerung auf die örtliche Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) bezog und damit hinreichend individualisiert war. Der Fall unterscheidet sich insoweit erheblich von vergangenen Fällen, in denen die Strafgerichte bei den herabsetzenden Botschaften „ACAB“ („all cops are bastards“) und „FCK CPS“ („fuck cops“) ohne zureichende Feststellungen zu Unrecht eine individualisierende Zuordnung zu bestimmten Personen und damit ein strafbares Verhalten angenommen hatten.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer gehört nach den Feststellungen der Strafgerichte der „linken Szene“ an und hatte in diesem Zusammenhang verschiedene Auseinandersetzungen mit der örtlichen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Polizei. Aus Anlass eines Strafverfahrens gegen einen Angehörigen der rechtsextremen Szene demonstrierte er gemeinsam mit anderen Personen vor dem Gerichtsgebäude. Nach den gerichtlichen Feststellungen war ihm bewusst, dass Mitglieder der örtlichen BFE vor Ort anwesend sein würden, um den Einlass in das Gebäude und das Verfahren zu sichern. Hierbei trug er einen Pullover mit der Aufschrift „FCK BFE“ gut sichtbar unter seiner geöffneten Jacke. Unter dem Pullover trug er noch ein T-Shirt mit der identischen Aufschrift, welches nach der Beschlagnahme des Pullovers zum Vorschein kam.

Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 15 Tagessätzen. Angesichts der Vorgeschichte war das Gericht überzeugt, dass sich der Schriftzug gerade und ausschließlich auf die örtliche Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit beziehen sollte. Diese stelle, weil es sich um eine hinreichend überschaubare Personengruppe handele, ein beleidigungsfähiges Kollektiv dar. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass sich Beamte der örtlichen BFE und jedenfalls andere mit der Bedeutung dieses Kürzels vertraute Polizeibeamte an diesem Tag vor Ort befinden und von seiner Schmähschrift Kenntnis nehmen würden. Die dagegen eingelegte Sprungrevision des Beschwerdeführers blieb erfolglos. Der Beschwerdeführer rügt insbesondere eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Der Eingriff in die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG durch die strafgerichtliche Verurteilung ist gerechtfertigt.

Auslegung und Anwendung des § 185 StGB durch die Fachgerichte begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese haben die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Individualisierung potentiell beleidigender Schriftzüge auf konkrete Personen oder Personengruppen beachtet. Das Amtsgericht durfte aus dem gesamten Zusammenhang des Verhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere der gerade die örtliche BFE betreffenden Vorgeschichte, annehmen, dass sich die Äußerung auf die spezifische örtliche Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit und deren Beamtinnen und Beamte bezieht.

In vergangenen verfassungsgerichtlichen Verfahren fehlte es bei den herabsetzenden Botschaften „ACAB“ („all cops are bastards“) und „FCK CPS“ („fuck cops“) an ausreichenden strafgerichtlichen Feststellungen zur personalisierenden Zuordnung dieser Äußerungen. In diesen Fällen gab es keine Vorgeschichte mit einer bestimmten Polizeieinheit. Ein planvolles, bestimmte Beamtinnen und Beamte herabsetzendes Vorgehen war aus den Feststellungen nicht erkennbar. Die Botschaften konnten daher auch als allgemeine politische Stellungnahmen zum Kollektiv „Polizei“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verstanden werden. Ein Unterschied ergibt sich auch daraus, dass vorliegend das ausdrücklich in Bezug genommene Kollektiv der BFE - auch ohne den Ortszusatz - erheblich spezifischer und eher abgrenzbar ist als der Begriff „cops“. Bei Letzterem ist nicht einmal erkennbar, ob sich dieser auf die deutsche Polizei oder ganz allgemein auf alle Personen mit polizeilichen Funktionen auf der Welt bezieht.