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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2080/02 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn E...
Knieperstraße 20/Alter Markt, 18439 Stralsund,
gegen | das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 2. Oktober 2002 - 1 S 122/01 - |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
die Richterin Haas
und den Richter Hoffmann-Riem
am 10. Juni 2003 einstimmig beschlossen:
Das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 2. Oktober 2002 - 1 S 122/01 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung des Landgerichts Stralsund wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Stralsund zurückverwiesen.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer klagte auf Rückzahlung von Werklohn und auf Zahlung von Schadensersatz, da er nach dem Einbau eines Austauschmotors einen Motorschaden erlitten hatte.
Amtsgericht und Landgericht haben seine Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme abgewiesen und ihn als Widerbeklagten zur Zahlung rückständigen Werklohns verurteilt. Sie haben dies damit begründet, nach durchgeführter Beweisaufnahme stehe fest, dass der Beschwerdeführer auf die Notwendigkeit hingewiesen worden sei, unverzüglich eine Werkstatt aufzusuchen. Dies ergebe sich aus den Angaben eines Zeugen, der das Telefonat mitgehört habe. Diese Zeugenaussage unterliege keinem Beweisverwertungsverbot. Das Mithören eines Telefongesprächs über eine Mithöreinrichtung sei nicht ungewöhnlich, sondern im Wirtschafts- und Geschäftsleben üblich geworden.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Gestalt des Rechts am gesprochenen Wort und nimmt Bezug auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2002 (NJW 2002, S. 3619).
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93 c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93 c BVerfGG). Die für die Beurteilung maßgebliche Frage der Zulässigkeit der Verwertung von mitgehörten Telefonaten im Zivilprozess ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits entschieden (BVerfG, NJW 2002, S. 3619).
Die Verwertung von Zeugenaussagen, die über ein mitgehörtes Gespräch berichten, ist danach grundsätzlich nicht gestattet, weil hierdurch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners beeinträchtigt werden kann. Die Erhebung und Verwertung einer solchen Zeugenaussage ist jedoch dann zulässig, wenn eine konkludente oder gar eine ausdrückliche Einwilligung des Gesprächspartners vorhanden ist.
Das Landgericht Stralsund durfte vorliegend die Annahme einer Einwilligung nicht allein auf den Umstand stützen, dass Mithörgeräte eine gewisse Verbreitung gefunden haben. Weitere Anhaltspunkte für eine Einwilligung lassen sich der Entscheidung nicht entnehmen.
Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem dargelegten Grundrechtsverstoß. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht bei Beachtung der sich aus dem Recht am gesprochenen Wort ergebenden Anforderungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier | Haas | Hoffmann-Riem |