Bundesverfassungsgericht

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Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen drohender Veröffentlichung eines Kinofilms abgelehnt

Pressemitteilung Nr. 66/2009 vom 18. Juni 2009

Beschluss vom 17. Juni 2009
1 BvQ 26/09

Der Antragsteller ist wegen eines von ihm begangenen Tötungsverbrechens, bei dem er Teile seines Opfers verspeiste, in der Öffentlichkeit als der "Kannibale von Rotenburg" bekannt. Mit Urteil vom Mai 2006 rechtskräftig seit Februar 2007 wurde er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die er derzeit verbüßt. Der Antragsteller hat in einem Zivilprozess versucht zu verhindern, dass ein den realen Gegebenheiten nachempfundender Kinofilm über sein Leben und seine Tat gezeigt wird, dessen deutsche Uraufführung alsbald vorgesehen ist. Er beabsichtigt, das in letzter Instanz zu seinen Ungunsten ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen, sobald ihm die schriftlichen Entscheidungsgründe vorliegen.

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der im Ausgangsverfahren beklagten Produktionsgesellschaft die Vorführung und anderweitige Verwertung des Spielfilms vorläufig untersagt werden soll, abgelehnt. Zwar kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Vorliegend lassen die Ausführungen des Antragstellers einen hinreichend gewichtigen Nachteil durch die bei Nichterlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu erwartende Vorführung des Films "Rohtenburg" aber nicht erkennen.

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass der Film seine Biografie und seine Tat unter Wiedergabe zahlreicher zutreffender Details auch aus seinem Intimleben abbilde, liegt hierin schon deshalb kein schwerer Nachteil, weil nicht zuletzt wegen des eigenen Verhaltens des Antragstellers gegenüber den Medien davon auszugehen ist, dass diese Informationen einer breiten Öffentlichkeit ohnehin bereits bekannt und auch noch aktuell bewusst sind. Dasselbe gilt für die vom Antragsteller befürchtete Verletzung seines Rechts am eigenen Bild. Es ist nicht erkennbar, dass die Vorführung eines Filmes - in dem der Antragsteller durch einen ihm ähnlich sehenden Schauspieler dargestellt wird - ihn schwer in rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigen könnte, nachdem er selbst freimütig an der Veröffentlichung von ihn zeigenden Fotos in der Presse mitgewirkt hat und auch ein Buch autorisiert hat, das auf dem Umschlag eine Portraitaufnahme des Antragstellers trägt. Soweit der Antragsteller außerdem anführt, dass das Drehbuch des Films trotz seiner großen Realitätsnähe einzelne Darstellungen enthalte, die unzutreffend seien, zeigt auch dies keinen besonders schweren Nachteil auf. Bei den in der Antragsschrift genannten Fehldarstellungen handelt es sich um lediglich geringfügige Abweichungen von der Wirklichkeit, die eine gegenüber der Wiedergabe der wahren Umstände gesteigerte Rufbeeinträchtigung nicht befürchten lassen. Schließlich liegt auch in der vom Antragsteller gerügten Aufbereitung seiner Lebensgeschichte mit den Mitteln eines Horrorfilms jedenfalls kein den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigender schwerer Nachteil. Zwar mag der Einsatz der genretypischen Stilmittel dazu führen, dass der Antragsteller durch die Kinozuschauer als eine Person wahrgenommen wird, die monströse, furchteinflößende Persönlichkeitszüge trägt. Indes ist zu berücksichtigen, dass bereits ein neutraler Bericht über die beispiellose Tat des Antragstellers geeignet wäre, derartige Reaktionen auszulösen. Der Wunsch des Antragstellers, dass seine Tat nur behutsam und unter sachlicher Würdigung ihrer Beweggründe dargestellt werden möge, vermag das Fehlen eines schweren Nachteils nicht zu kompensieren.