Bundesverfassungsgericht

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Verfassungsbeschwerde gegen das strikte Rauchverbot in bayerischen Gaststätten erfolglos

Pressemitteilung Nr. 58/2010 vom 4. August 2010

Beschluss vom 02. August 2010
1 BvR 1746/10

Am 1. August 2010 ist das durch einen Volksentscheid beschlossene neue bayerische Gesetz zum Schutz der Gesundheit vom 23. Juli 2010 in Kraft getreten. Es sieht ein striktes Rauchverbot für alle Gaststätten vor. Die mit Wirkung zum 1. August 2009 geschaffenen Ausnahmeregelungen für Bier-, Wein- und Festzelte und für getränkegeprägte kleine Einraumgaststätten sind ebenso entfallen wie die zur gleichen Zeit geschaffene Möglichkeit, Rauchernebenräume einzurichten.

Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Raucherin und besucht mehrmals wöchentlich Gaststätten. Die Beschwerdeführerin zu 2) betreibt eine Gaststätte und erzielt einen erheblichen Teil ihres Umsatzes durch geschlossene Gesellschaften, die in abgetrennten Räumen stattfinden. Die Beschwerdeführerin zu 3), eine GmbH, betreibt ein "Pilslokal" mit einer Fläche von weniger als 75 m2 und macht geltend, sie beschäftige nur Raucher und es würden "nur rauchende Gäste eingelassen".

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen geltend machen, durch die strikte Neufassung des Rauchverbots in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) bzw. ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt zu sein, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Grundrechte oder grundrechtgleichen Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt. Die strikte Neufassung des Rauchverbots verletzt weder die Beschwerdeführerin zu 1) als Raucherin noch die Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3) als Inhaberinnen von Gaststätten in ihren Grundrechten.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit Urteil vom 30. Juli 2008 entschieden, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert ist, dem Gesundheitsschutz gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen (vgl. BVerfGE 121, 317 ). Entscheidet sich der Gesetzgeber wegen des hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter für ein striktes Rauchverbot in allen Gaststätten, so darf er dieses Konzept konsequent verfolgen und muss sich auch nicht auf Ausnahmeregelungen für reine Rauchergaststätten einlassen, zu denen Nichtraucher keinen Zutritt erhalten. Auch eine stärkere Belastung von Inhabern kleiner Einraumgaststätten - bis hin zur Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz - ist angesichts der für alle Gaststätten geltenden Regelung durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt und zwingt daher nicht zu einer Ausnahmeregelung.

Ein striktes Rauchverbot ist auch vor dem Hintergrund, dass es in Bayern nach Darstellung der Beschwerdeführerinnen aufgrund der bisherigen Regelungen inzwischen eine große Zahl rauchfreier Gaststätten gibt, nicht unverhältnismäßig. Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, den Nichtrauchern eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Gaststätten - gerade auch in der getränkegeprägten Kleingastronomie - zu ermöglichen, ohne dass sie sich dabei dem Tabakrauch aussetzen müssen. Ferner ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber durch ein striktes Rauchverbot zugleich einen konsequenten Schutz sämtlicher Beschäftigter in der Gastronomie anstrebt.