BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1416/94 -
- 1 BvR 1504/94 -
- 1 BvR 1629/94 -
- 1 BvR 1681/94 -
IM NAMEN DES VOLKES
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
I. |
1. des Herrn S..., | |
2. |
der Frau S..., | |
und der minderjährigen Kinder | ||
3. |
S..., | |
4. |
S..., | |
5. |
S..., | |
gesetzlich vertreten durch die Beschwerdeführer zu 1) und 2), |
gegen |
Art. 1 §§ 54, 55, 57, 58, 61 Abs. 8, Art. 21 und Art. 69 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) |
- 1 BvR 1416/94 -,
II. |
1. der Frau H..., | |
2. |
des Herrn H..., |
gegen |
Art. 1 §§ 54, 55, 57, 58, 60 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) |
- 1 BvR 1504/94 -,
III. |
1. des Herrn M..., | |
2. |
der Frau M..., | |
und der minderjährigen Kinder | ||
3. |
M..., | |
4. |
M..., | |
5. |
M..., | |
6. |
M..., | |
7. |
M..., | |
8. |
M..., | |
9. |
M..., | |
10. |
M..., | |
11. |
M..., | |
gesetzlich vertreten durch die Beschwerdeführer zu 1) und 2), |
gegen |
Art. 1 § 54, 55, 57, 58, 60 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) |
- 1 BvR 1629/94 -,
IV. |
1. der Frau Sch..., | |
2. |
des Herrn Sch..., |
gegen |
Art. 1 §§ 23, 54, 55, 57, 58, 60, 110 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) |
- 1 BvR 1681/94 -
hier: Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, |
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten Henschel,
der Richter Seidl,
Grimm,
Söllner,
Kühling
und der Richterinnen Seibert,
Jaeger,
Haas
am 7. Dezember 1994 beschlossen:
- Die Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.
G r ü n d e :
A.
Die Verfahren betreffen die durch das Pflege-Versicherungsgesetz getroffenen Regelungen über Beitragspflicht und Beitragshöhe in der sozialen Pflegeversicherung und die entsprechenden Regelungen über die private Pflege-Pflichtversicherung einschließlich der die Beamten betreffenden Vorschriften.
1. a) Das Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) führt ab 1. Januar 1995 die soziale Pflegeversicherung als neuen, eigenständigen Zweig der Sozialversicherung ein. Es fügt durch seinen Art. 1 dem Sozialgesetzbuch ein Elftes Buch "Soziale Pflegeversicherung" (SGB XI) an. In den Schutz der sozialen Pflegeversicherung sind ab 1. Januar 1995 kraft Gesetzes alle Personen einbezogen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, einschließlich der freiwilligen Mitglieder.
Die Ehegatten und die Kinder von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung sind in der sozialen Pflegeversicherung kraft Gesetzes beitragsfrei versichert, wenn sie nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße überschreitet. Kinder sind grundsätzlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres beitragsfrei versichert, darüber hinaus jedoch bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, wenn sie nicht erwerbstätig sind, sowie bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leisten. Als Studenten können sie auch selbst beitragspflichtig sein.
Träger der sozialen Pflegeversicherung sind die Pflegekassen. Ihre Aufgaben werden von den Krankenkassen wahrgenommen. Die im Gesetz vorgesehenen Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege werden ab 1. April 1995, diejenigen bei stationärer Pflege ab 1. Juli 1996 gewährt.
b) Personen, die gegen das Krankheitsrisiko bei privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert sind, werden durch § 23 SGB XI verpflichtet, bei diesem Unternehmen oder einem anderen privaten Versicherungsunternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Der Vertrag muß ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für sie selbst und ihre Angehörigen, für die in der sozialen Pflegeversicherung eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig sind. Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben, sind - unabhängig davon, ob sie krankenversichert sind - zum Abschluß einer beihilfekonformen anteiligen privaten Pflegeversicherung verpflichtet.
Für die private Pflege-Pflichtversicherung verlangt § 110 SGB XI von den Privatversicherern eine beitragsfreie Mitversicherung der Kinder des Versicherungsnehmers unter denselben Voraussetzungen wie in der sozialen Pflegeversicherung. Für die Prämien des Versicherten sowie seines Ehegatten, wenn dieser kein Gesamteinkommen hat, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße überschreitet, gelten Höchstbeträge, die sich an den Höchstbeiträgen der sozialen Pflegeversicherung orientieren.
2. a) Die Mittel für die soziale Pflegeversicherung werden im wesentlichen durch Beiträge der Mitglieder aufgebracht. In den mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Vorschriften der §§ 54, 55, 57, 58, 60 SGB XI ist die Beitragspflicht im wesentlichen wie folgt geregelt:
Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze erhoben. Die Beitragsbemessungsgrenze liegt wie in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 75 vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung.
Der Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung beträgt in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 bundeseinheitlich 1 vom Hundert, in der Zeit ab 1. Juli 1996 - nach dem Inkrafttreten der Regelung über die Leistungen bei vollstationärer Pflege - 1,7 vom Hundert der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. In den alten Bundesländern liegt danach der monatliche Höchstbeitrag im Jahre 1995 für die soziale Pflegeversicherung kraft Gesetzes bei 58,50 DM und in den neuen Bundesländern bei 48,75 DM. Für beihilfeberechtigte Personen, die freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversichung sind, beträgt der Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung die Hälfte des genannten Beitragssatzes, weil Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben, bei Eintritt des Versicherungsfalles der Pflegebedürftigkeit Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung auch nur zur Hälfte erhalten. Ihnen wird auch kein Beitragszuschuß gezahlt.
Die Beschäftigten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, und ihre Arbeitgeber tragen die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung grundsätzlich jeweils zur Hälfte. § 58 Abs. 2 SGB XI sieht jedoch vor, daß zum Ausgleich der mit den Arbeitgeberbeiträgen verbundenen Belastungen der Wirtschaft die Länder einen gesetzlichen landesweiten Feiertag, der stets auf einen Werktag fällt, aufheben. Liegt der Beschäftigungsort in einem Land, in dem die am 31. Dezember 1993 bestehende Anzahl der gesetzlichen landesweiten Feiertage nicht um einen Tag, der stets auf einen Werktag fiel, vermindert worden ist, tragen die Beschäftigten die Beiträge in voller Höhe. Wird in einer Rechtsverordnung nach Art. 69 PflegeVG festgestellt, daß für die Zeit ab 1. Juli 1996 (ab dem Beginn der stationären Pflegeleistungen) die Aufhebung eines zweiten Feiertages erforderlich ist, dann trägt der Beschäftigte den zusätzlichen Beitrag von 0,7 vom Hundert allein, wenn der Beschäftigungsort in einem Land liegt, in dem nur ein Feiertag aufgehoben wurde; der Arbeitgeberanteil beschränkt sich in diesem Fall auf 0,5 vom Hundert des der Beitragsbemessung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts.
b) Für das Besoldungsrecht schreibt § 3 a Bundesbesoldungsgesetz in der Fassung des Art. 21 PflegeVG vor, daß der Anspruch auf monatliche Dienstbezüge um 0,5 vom Hundert eines vollen Monatsbezuges abgesenkt wird. Dies gilt jedoch nicht für Beamte, Richter und Soldaten in Dienststellen solcher Länder, in denen die am 31. Dezember 1993 bestehende Anzahl der gesetzlichen landesweiten Feiertage um einen Feiertag, der stets auf einen Werktag fiel, vermindert worden ist. Der Anspruch auf monatliche Dienstbezüge wird ab dem 1. Juli 1996 um weitere 0,33 vom Hundert eines vollen Monatsbezuges abgesenkt. Dies gilt ebenfalls nicht für Beamte, Richter und Soldaten in Dienststellen in den Ländern, in denen die am 31. Dezember 1993 bestehende Anzahl der gesetzlichen landesweiten Feiertage um einen weiteren Feiertag, der stets auf einen Werktag fiel, vermindert worden ist, sofern in einer Rechtsverordnung nach Art. 69 PflegeVG festgestellt worden ist, daß die Aufhebung eines weiteren Feiertages, der stets auf einen Werktag fällt, notwendig ist.
c) Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, tragen ihren Beitrag allein. Sie erhalten jedoch unter bestimmten Voraussetzungen vom Arbeitgeber einen der Höhe nach begrenzten Zuschuß zum Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung.
II.
1. Im Verfahren 1 BvR 1416/94 ist die Verfassungsbeschwerde von Eheleuten und ihren drei minderjährigen Kindern erhoben worden. Der Ehemann und Vater, ist als Beamter halbtags tätig; die Ehefrau und Mutter, ist Studentin. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Vorschriften des Pflege-Versicherungsgesetzes, welche die Beitragspflicht zur sozialen Pflegeversicherung begründen (§§ 54, 55, 57, 58, 60 SGB XI), und gegen die Regelung über die Versicherungspflicht von Beamten (§§ 23, 110 SGB XI sowie Art. 21 und Art. 69 PflegeVG).
Die beschwerdeführenden Eheleute im Verfahren 1 BvR 1504/94 haben vier minderjährige Kinder. Beide sind berufstätig und greifen mit ihrer Verfassungsbeschwerde die Vorschriften über die Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung an.
Den gleichen Angriffsgegenstand hat die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1629/94. Die Beschwerdeführer dieses Verfahrens sind Eheleute und ihre neun minderjährigen Kinder. Der Ehemann und Vater, ist berufstätig; die anderen Familienangehörigen haben kein eigenes Einkommen.
Die beschwerdeführenden Eheleute im Verfahren 1 BvR 1681/94 haben vier minderjährige Kinder. Der Ehemann und Vater ist als Mediziner im öffentlichen Dienst tätig. Die Ehefrau und Mutter ist nicht erwerbstätig. Die Familie ist privat krankenversichert. Der Beschwerdeführer erhält einen Arbeitgeberzuschuß zu den Krankenversicherungsbeiträgen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greifen die Beschwerdeführer neben der Beitragsregelung in der sozialen Pflegeversicherung die Vorschriften über die private Pflegeversicherung (§§ 23, 110 SGB XI) an.
In allen Verfahren machen die Beschwerdeführer übereinstimmend geltend, die beitragsrechtlichen Vorschriften des Pflege-Versicherungsgesetzes verletzten sie in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Im wesentlichen sehen sie Art. 6 Abs. 1 GG dadurch verletzt, daß sie als kinderreiche Familien durch die Belastung mit Beiträgen zur Pflegeversicherung gegenüber Kinderlosen und Ein-Kind-Familien noch stärker als bisher schon benachteiligt würden.
2. Sämtliche Beschwerdeführer begehren den Erlaß einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, daß der Vollzug der mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen beitragsrechtlichen Vorschriften des Pflege-Versicherungsgesetzes bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden ausgesetzt wird. Zur Begründung führen sie aus, der Erlaß der einstweiligen Anordnung sei aus überragenden Gemeinwohlgründen zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten. Der zum 1. Januar 1995 vorgesehene Vollzug des Gesetzes durch Beitragserhebung werde die ohnehin schwierige wirtschaftliche Lage der Mehrheit junger Familien bedeutend verschlechtern. Der Vollzug der Pflegeversicherung werde die Probleme verschärfen, zu deren Lösung sie eigentlich gedacht sei. Nennenswerte Nachteile seien vom Erlaß der einstweiligen Anordnung nicht zu erwarten. Die Lage der Pflegebedürftigen verschlechtere sich nicht.
3. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ist namens der Bundesregierung den Anträgen auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung entgegengetreten. Es könne offenbleiben, ob die Verfassungsbeschwerden unzulässig seien, jedenfalls seien sie offensichtlich unbegründet. Die beitragsrechtlichen Vorschriften in Art. 1 des PflegeVG verstießen offensichtlich nicht gegen das Grundgesetz. Die Beiträge von Familien mit Kindern zur Pflegeversicherung führten zu keiner Benachteiligung gegenüber Kinderlosen, sondern seien im Gegenteil sozial ausgewogen und berücksichtigten im besonderen Maße die Situation der Familien. Im übrigen müßte auch eine Abwägung der Folgen zu Lasten der Beschwerdeführer ausfallen.
Die Beschwerdeführer hatten Gelegenheit, sich zu der Stellungnahme des Bundesministeriums zu äußern. Sie haben ihren Vortrag über die ihrer Ansicht nach bestehende und durch die Einführung der Pflegeversicherung verstärkte Benachteiligung von Familien mit Kindern erweitert und vertieft.
B.
I.
1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde wäre unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang muß das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (BVerfGE 88, 169 <172>; st.Rspr.). Dabei ist insbesondere dann, wenn die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt wird, ein strenger Maßstab anzulegen (BVerfGE 3, 41 <44>; 83, 162 <171>; st.Rspr.).
2. Die Verfassungsbeschwerden sind weder insgesamt unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die Entscheidung über den Erlaß der beantragten einstweilen Anordnung hängt danach von einer Abwägung der eintretenden Folgen ab. Dabei sind die Auswirkungen zugrundezulegen, die mit einer generellen Aussetzung der Beitragserhebung verbunden wären. Einige der Beschwerdeführer haben beantragt, den Vollzug der angegriffenen Vorschriften ihnen gegenüber auszusetzen. Eine solche auf sie beschränkte Aussetzung des Gesetzesvollzugs kommt jedoch nicht in Betracht, weil andernfalls gleiche Fälle ungleich behandelt werden müßten. Denn die Beschwerdeführer greifen die Beitragsregelung mit Erwägungen an, die nicht nur auf sie persönlich zutreffen, sondern auf eine Vielzahl von Versicherten, nämlich auf alle Eltern mit mehreren Kindern.
a) Ergeht die einstweilige Anordnung, erweist sich die angegriffene Regelung jedoch später als verfassungsgemäß, wird zwischenzeitlich der Finanzierung der Pflegeversicherung die Grundlage entzogen. Die Gewährung der Leistungen für die häusliche Pflege kann nicht, wie vorgesehen, zum 1. April 1995 einsetzen. Auch der rechtzeitige Beginn der Leistungen bei stationärer Pflege am 1. Juli 1996 wird gefährdet. Die Leistungen der Pflegeversicherung bedürfen eines längeren organisatorischen Vorlaufs, weil es nicht nur um Geld-, sondern auch um Sachleistungen geht. Die Vorbereitungen können nicht ohne erhebliche Nachteile für die Gesamtheit der nunmehr versicherten Bevölkerung abgebrochen werden.
b) Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, erweist sich die Verfassungsbeschwerde aber als begründet, so haben die von der Beitragsregelung des Pflege-Versicherungsgesetzes betroffenen Personen zunächst die Beiträge zur PflegeVersicherung zu entrichten. Soweit sie jedoch in verfassungswidriger Weise mit Beiträgen belastet werden, können sie später deren Erstattung verlangen.
c) Die Nachteile, welche durch das Aussetzen des Vollzugs der mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Regelungen des Pflege-Versicherungsgesetzes der Allgemeinheit entstünden, wiegen deutlich schwerer als die Nachteile, welche die Beschwerdeführer infolge der Beitragspflicht zur Pflegeversicherung hinnehmen müssen. Wenn die Pflegeversicherung als neuer Zweig der Sozialversicherung nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt wirksam würde und damit auch die Leistungen aus dieser Versicherung nicht wie vorgesehen gewährt werden könnten, würden die Belange und Dispositionen der Pflegebedürftigen, ihrer Familien und der Pflegepersonen schwerwiegend beeinträchtigt, deren Schutz dieses Gesetz dienen soll. Darüber hinaus würden die Vorkehrungen der öffentlichen Hand, der freien Wohlfahrtsverbände und der Krankenkassen, bei denen die Pflegekassen errichtet werden, erheblich gestört. Demgegenüber werden die Beschwerdeführer durch die Entrichtung von Beiträgen zur Pflegeversicherung angesichts der Erstattungsmöglichkeit nicht derart empfindlich getroffen, daß der Vollzug der gesetzlichen Beitragsflichten einstweilen ausgesetzt werden müßte.
Henschel | Seidl | Grimm | |||||||||
Söllner | Kühling | Seibert | |||||||||
Jaeger | Haas |