Bundesverfassungsgericht
- 1 BvQ 9/98 -
In dem Verfahren
über
den Antrag,
die sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung
der Stadt L. vom 16. April 1998 und die Beschlüsse des
Verwaltungsgerichts L. vom 27. April 1998 - 3 K 494/98
-
und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. April
1998 - 3 S 253/98 - auszusetzen, soweit sie den für den 1.
Mai 1998 angemeldeten Aufzug betreffen,
Antragstellerin: Nationaldemokratische Partei Deutschlands, vertreten durch den Vorsitzenden Udo Voigt, Rötestraße 4, Stuttgart,
Dorfstraße 21-22, Goldenbow -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Grimm,
Hömig
am 30. April 1998 einstimmig beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe:
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
Der Antrag ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Er wirft vielmehr die Frage auf, ob die angegriffenen Entscheidungen der Stadt L. und der Verwaltungsgerichte dem Grundrecht der Antragstellerin auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG ausreichend Rechnung getragen haben. Das gilt in besonderem Maß für das von der Stadt L. eingeschlagene Verfahren und die Gründe, auf die das Versammlungsverbot gestützt worden ist.
Dessen ungeachtet liegen die Voraussetzungen für den Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verbotsverfügung nicht wiederherzustellen, soweit darin der Aufzug verboten wurde, auf eine Gefahrenprognose gestützt, nach der das Versammlungsverbot insoweit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist.
Eine verfassungsgerichtliche Nachprüfung dieser Prognose und eine verantwortliche Abwägung der betroffenen Rechtsgüter wäre nur in voller Kenntnis der maßgeblichen Umstände und unter Anhörung aller Beteiligten möglich. Dies läßt sich in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erreichen. Unter diesen Umständen sieht sich das Bundesverfassungsgericht zu einer von der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abweichenden Beurteilung nicht in der Lage (vgl. BVerfGE 72, 299 <301 f.>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier | Grimm | Hömig |