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Erfolglose Verfassungsbeschwerde der Partei "Die Republikaner"

Pressemitteilung Nr. 90/1999 vom 19. August 1999

Beschluss vom 09. August 1999
1 BvR 2245/98

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde (Vb) der Partei "Die Republikaner" einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführerin (Bf) wollte mit der Vb erreichen, daß ein gegen das Bezirksamt Berlin-Mitte (BA) gerichtlich angedrohtes Zwangsgeld festgesetzt und beigetrieben wird. Die Androhung des Zwangsgeldes durch das Verwaltungsgericht Berlin (VG) war erfolgt, weil sich das BA entgegen einer gerichtlichen einstweiligen Anordnung geweigert hatte, der Bf die Kongreßhalle am Alexanderplatz für einen Bundesparteitag zu überlassen.

I.

Mit einstweiliger Anordnung vom 28. April 1998 verpflichtete das VG das BA, der Bf die Kongreßhalle für die Durchführung eines Bundesparteitages am 20. Juni 1998 zu überlassen. Diese Halle wird regelmäßig politischen Parteien für die Durchführung von Parteiveranstaltungen zur Verfügung gestellt. Auch nach zweifacher Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von jeweils 2.000 DM weigerte sich das BA, der gerichtlichen Entscheidung nachzukommen. Daraufhin verschob die Bf den Parteitag auf einen späteren Zeitpunkt.

Ihr Antrag, die Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 4.000 DM festzusetzen und beizutreiben, blieb erfolglos. In letzter Instanz entschied das Oberverwaltungsgericht, daß auch die insoweit einschlägige Zwangsgeldvorschrift des § 172 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als reines Beugemittel anzusehen sei, also als eine Maßnahme zur Beugung des Willens des Schuldners. Die Vollstreckung eines solchen Beugemittels sei ausgeschlossen, wenn die Vornahme der Handlung, einerlei aus welchem Grund oder durch wessen Schuld, unmöglich geworden sei.

Hiergegen erhob die Bf Vb und rügte insbesondere eine Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG).

II.

Die Vb ist nicht zur Entscheidung angenommen worden. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte der Bf angezeigt.

Zur Begründung heißt es u.a.:

Die Verwaltungsgerichte haben das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht verletzt. Das VG konnte in vertretbarer Weise davon ausgehen, daß das BA durch die wiederholte Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern zur Überlassung der Halle veranlaßt werden könnte. Diese Prognoseentscheidung war nach den von der Bf vorgetragenen Tatsachen nicht eindeutig fehlerhaft. Daher hätte auch die Bf den weiteren Verlauf des Vollstreckungsverfahrens abwarten und ggf. den Einsatz effektiverer Zwangsmittel anregen oder beantragen müssen.

Solche effektiveren Zwangsmittel sind durch § 172 VwGO nicht ausgeschlossen. Vielmehr kann diese Vorschrift auch als verwaltungsprozessuale Modifizierung der ansonsten geltenden zivilprozessualen Zwangsgeldbestimmungen verstanden und der Zweck der Begrenzung des Zwangsgeldbetrags auf 2.000 DM darin gesehen werden, daß staatliche Haushaltsmittel nicht in größerem Umfang durch Vollstreckungsmaßnahmen ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen werden. In diesem Fall steht die Begrenzung des Zwangsgeldes durch § 172 VwGO dem Einsatz anderer nach der VwGO in Verbindung mit der Zivilprozeßordnung möglicher Zwangsmittel (z.B. Ersetzung der behördlichen Zustimmung zur Saalvermietung, Besitzeinweisung durch den Gerichtsvollzieher) nicht entgegen.

Eine solche Auslegung ist im Hinblick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls dann geboten, wenn die Androhung und Festsetzung eines auf 2.000 DM beschränkten Zwangsgeldes zum Schutz der Rechte des Betroffenen ungeeignet ist. Ist etwa aufgrund vorangegangener Erfahrungen, aufgrund eindeutiger Bekundungen oder aufgrund mehrfacher erfolgloser Zwangsgeldandrohungen klar erkennbar, daß die Behörde unter dem Druck des Zwangsgeldes nicht einlenkt, dann gebietet es das Gebot effektiven Rechtsschutzes, von der "entsprechenden" Anwendung zivilprozessualer Vorschriften Gebrauch zu machen und einschneidendere Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Behörde zu rechtmäßigem Handeln anzuleiten.