Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Bundesverfassungsrichterin Prof. Dr. Susanne Baer scheidet aus dem Amt

Pressemitteilung Nr. 21/2023 vom 20. Februar 2023


Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier hat am heutigen Tage Richterin des Bundesverfassungsgerichts Professorin Dr. Susanne Baer, LL.M. (Michigan), die Entlassungsurkunde ausgehändigt. Damit endete ihre 12-jährige Amtszeit. Bei diesem Anlass verlieh der Bundespräsident wegen der Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland zudem das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Susanne Baer wurde im Jahr 1964 in Saarbrücken geboren und war zunächst verpartnert, dann verheiratet. Von 1983 bis 1988 studierte sie Rechts- und Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und legte in Berlin ihr Erstes juristisches Staatsexamen ab. Nach dem Referendariat in Berlin und Boston/USA und dem Zweiten juristischen Staatsexamen 1991 arbeitete sie als Referentin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin. Sie erwarb 1993 nach einem Studium den Master of Laws an der University of Michigan Law School. 1995 wurde sie, gefördert durch ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung, an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main ­ betreut von Prof. Simitis und Prof. Denninger ­ promoviert; für die Dissertation erhielt sie den Walter Kolb-Gedächtnispreis der Stadt Frankfurt am Main. Von 1995 bis 2000 arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Assistentin an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin; sie wurde dort im Jahre 2000 mit der Arbeit „Der Bürger im Verwaltungsrecht zwischen Obrigkeit und aktivierendem Staat“ habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für die Fächer Öffentliches Recht, Verwaltungswissenschaften, Rechtstheorie und Rechtsvergleichung. Sie lehrte als Gast an der Central European University Budapest, in Linz und Toronto und vertrat Professuren in Erfurt und Bielefeld. Nach Ablehnung eines Rufs an die Universität Bielefeld wurde sie 2002 zur Universitätsprofessorin an der Humboldt-Universität zu Berlin ernannt und 2009 auf eine Global Law Professur an der University of Michigan Law School berufen. Von 2003 bis 2010 leitete sie das an der Humboldt-Universität angesiedelte GenderKompetenzZentrum zur Beratung der Bundesregierung; sie ist Gründungsdirektorin des Instituts für Interdisziplinäre Rechtsforschung - Law and Society Institute an der Humboldt-Universität zu Berlin und initiierte die Humboldt Law Clinic für Grund- und Menschenrechte. Susanne Baer war als Studiendekanin der Fakultät und als Sprecherin des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien tätig und von 2009 bis 2010 Vizepräsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie erhielt mehrere Ehrendoktorwürden ­ 2014 durch die University of Michigan, USA, 2018 durch die Universiteit Hasselt, Belgien, und die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Luzern, Schweiz ­, wurde 2017 zum Corresponding Fellow of the British Academy gewählt und 2022 als Centennial Professorin an die London School of Economics eingeladen.

Am 11. November 2010 wählte der Deutsche Bundestag Susanne Baer zum Mitglied des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts; sie wurde vom Bundespräsidenten am 2. Februar 2011 zur Richterin ernannt. Als Berichterstatterin hat sie zahlreiche Senatsverfahren vorbereitet. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Entscheidung zum Tarifeinheitsgesetz (BVerfGE 146, 71), in der sie gemeinsam mit Richter Paulus ihre von der Senatsmehrheit abweichende Meinung durch ein Sondervotum vertrat, und die Entscheidung zum Verbot mehrfacher sachgrundloser Befristung (BVerfGE 149, 126). Auf dem Gebiet der sozialen Sicherung sind die Entscheidungen zu Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (BVerfGE 132, 134), zu Sanktionen im Sozialrecht (BVerfGE 152, 68) und zur Sonderbedarfsstufe im Asylbewerberleistungsrecht (1 BvL 3/21) zu nennen. Dazu kommt die Entscheidung zu Benachteiligungsrisiken von Menschen mit Behinderung in der Triage (BVerfGE 160, 79). Zur Wissenschaftsfreiheit gehören die Entscheidungen zu Studiengebühren (BVerfGE 134, 1), zur organisatorischen Ausgestaltung der Hochschulen (BVerfGE 136, 338) und zur Akkreditierung von Studiengängen (BVerfGE 141, 143). Zum Grundrecht der Vereinigungsfreiheit ist die Entscheidung über Vereinsverbote (BVerfGE 149, 160) anzuführen. Hinzu kommen zahlreiche Kammerentscheidungen wie zur Flashmob-Aktion im Einzelhandel (1 BvR 3185/09), zum Einsatz von Streikbrechern (1 BvR 842/17), zu Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände (1 BvR 719/19 u. a.) und zum Fremdpersonalverbot in der Fleischindustrie (1 BvR 2888/20 u. a.). In ihrer gesamten Zeit am Bundesverfassungsgericht war Susanne Baer in den Arbeitsgruppen Übersetzungen und Internationales, Informationsfilme und Präsentation des Gerichts für die Bürgerinnen und Bürger in der Öffentlichkeit tätig.

Prof. Dr. Martin Eifert, LL.M. (Berkeley), geboren im Jahre 1965 in Frankfurt am Main, tritt als Nachfolger von Susanne Baer in den Ersten Senat ein. Martin Eifert ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er wurde am 15. Dezember 2022 vom Deutschen Bundestag zum Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Martin Eifert hat heute vom Bundespräsidenten seine Ernennungsurkunde erhalten.